Der Bau einer Steinburg


Seit der Mitte des 11. Jahrhunderts löste der Steinbau vorangehende Holzburgen und Motten (aufgeschüttete Turmhügel) mehr und mehr ab. Dabei wurden nicht nur örtliche Anlagen ersetzt, sondern gerade im 12. und frühen 13. Jahrhundert auch völlig neue Burgen errichtet. Die Wahl des Bauplatzes wurde von verschiedenen Faktoren bestimmt, so von der Möglichkeit, Wasser- oder Landstraßen überwachen zu können, der zentralen Lage innerhalb eines zu sichernden Territoriums, der Einbindung in eine landwirtschaftliche Ökonomie, der Versorgung mit Wasser oder der Möglichkeit das Land weit überblicken zu können. Vor allem aber scheint es wichtig gewesen zu sein, daß die Burg als Symbol der hinter ihr stehenden Macht weithin sichtbar war. Bevorzugte Bauplätze waren deshalb Bergvorsprünge und Bergsporne. Sie boten einen natürlichen Schutz nach drei Seiten, mußten also nur auf der Bergseite zusätzlich geschützt werden. Außerdem waren sie von den sich zumeist in Tallagen befindenden Siedlungen besser zu erreichen als Gipfelburgen.
Nachdem der Bauherr die Stelle ausgewählt und zusammen mit einem Baumeister den ungefähren Verlauf der Mauern und die Lage der Gebäude festgelegt hatte, war es notwendig, die Baustelle großflächig zu roden. Zum einen konnten die Bäume an Ort und Stelle zu Bauholz verarbeitet werden, zum anderen mußte die Burg freiliegen, damit keine unbemerkte Annäherung erfolgen konnte. Im Anschluß an die Rodung wurde zur Bergseite hin ein Graben ausgehauen. Im Idealfall konnten aus dem hiergewonnenSteinmaterial sowohl die Quader für das Mauerwerk als auch die Bruchsteine für die Mauerfüllung und der Kalk für den Mörtel gewonnen werden. Um die Steine zu brechen wurden in kurzen Abständen Löcher in den Stein geschlagen, in die Hölzer getrieben wurden. Die Hölzer wurden anschließend mit Wasser getränkt, quollen auf und sprengten durch den ansteigenden Druck den Stein entlang der Lochreihe weg.
Zum Bereiten von Kalk mußte ein Kalkofen errichtet werden. Das geschah nur dann auf der Baustelle, wenn dort auch der Stein gebrochen wurde und viel Holz vorhanden war. Ansonsten mußte der Kalk an anderer Stelle gebrannt und dann zur Baustelle gebracht werden. Als Kalkofen diente ein ringförmiger Bau von drei bis fünf Meter Höhe und ca. einem Meter Innendurchmesser. In seiner Mauerschale wurden oberhalb eines Gewölbes die zerstoßenen Kalksteine geschichtet. Ein darunter entfachtes Feuer ließ die Steine zu Kalk zerfallen. Der so gewonnene ungelöschte Kalk wurde entweder sofort verarbeitet oder eingesumpft, da er nur begrenzt lagerfähig war.

Waren Rodungsarbeiten, Planieren des Geländes und Ausheben des Grabens unter Umständen noch mit eigenen Arbeitskräften des Bauherrn und den ihm zustehenden Frondiensten zu schaffen, waren für den eigentlichen Bau Fachleute, vor allem Steinmetze, notwendig. In der Frühzeit mittelalterlichen Bauens zogen Steinmetzen in kleinen, festen Gruppen von Baustelle zu Baustelle. Aufgabe des Bauherrn wares, einen Baumeister zu finden, der Erfahrung mit dem Bau von Burgen hatte, technisch auf dem neuesten Stand war und dessen Gruppe von Steinmetze gut und effektiv arbeitete.
Baupläne der geplanten Burgen existierten nicht. Die Bauten entstanden in Absprache zwischen Bauherr und Baumeister und wurden direkt im Gelände abgesteckt. Abweichungen vom ursprünglichen Gesamtplan, der wohl nur im Kopf des Baumeisters existierte, sind noch an vielen Burgen abzulesen.

Für die Steinbearbeitung wurde am Rande des Bauplatzes ein überdeckter Arbeitsplatz, die sogenannte Bauhütte, geschaffen. Dorthin wurden die Steine geschafft, damit die Steinmetze daraus regelmäßige Quader schlagen konnten. Bevor diese aufgesetzt werden konnten, mußte der Boden bereitet werden. Hierfür wurden in den anstehenden Felsen Bänke oder Abtreppungen geschlagen, damit die Mauer ein sicheres Fundament erhielt. Solche Felsbearbeitungen zeigen heute oft noch den damaligen Mauerverlauf und dessen Stärke an, auch wenn diese längst verschwunden ist.

War der Fels bröckelig oder zu stark zerklüftet, mußte er mit Stützmauern gehalten werden. Bei geeigneter Steinqualität konnten aber auch Teile der Burg, wie das Tor oder der Zugang, ganz in den Fels geschlagen werden. Ansonsten mußten für die schweren Mauern und hohen Türme komplizierte Gründungen gefertigt werden. Bei losem oder sandigem Grund wurde der Mauer- oder Turmfuß tief in den Boden gesenkt und nach unten verbreitert, um deren Standfestigkeit zu erhöhen und ein Absinken zu verhindern. Bei Bauten in sumpfigem Gelände mußte ein Fundament aus Pfahlrosten angelegt werden. Der Raum zwischen den Pfählen wurde mit Steinen, Kalk und Reisig gefüllt. Obwohl sumpfiges Gelände den Bau einer Burg erschwerte, finden sich solche Bauten dennoch häufig als Bauplatz. Der Vorteil des sumpfigen Geländes lag eindeutig in der beinahe unmöglichen Annäherung durch einen Feind.

Die Mauern von Burgtürmen und Ringmauern konnten mehrere Meter stark sein und wurden fast immer in Zweischalentechnik errichtet. Die Arbeiter zogen die innere und äußere Front der Mauer entweder aus Quadern mit einer sorgfältig geschlagenen Oberfläche oder aus sorgfältig versetzten Bruchsteinen hoch. Anschließend verfüllten sie den Kern mit unbehauenem Steinmaterial und viel Mörtel. Es war immer wieder notwendig, die beiden Mauerschalen untereinander und mit dem Kern zu verbinden.
Mit besonderer Sorgfalt wurden die Kanten der Mauern hochgezogen. Ihr exakter Verlauf prägte das Aussehen wesentlich, und ihre genaue Konstruktion trug zur Stabilität bei. Deshalb wurden häufig auch bei Bruchsteinmauern die Kanten aus sorgfältig geschichteten Quadern errichtet und die Eckquader durch besondere Oberflächen, zum Beispiel mit Buckeln oder Bossen, ausgezeichnet. Ansonsten wurde die Oberfläche der Mauern von den örtlichen Gegebenheiten, dem Vorhandensein eines bestimmten Steinmaterials und von den finanziellen Möglichkeiten des Bauherrn bestimmt. Eine Mauer aus glatt behauenen Quadern oder auch aus den im 12. und 13. Jahrhundert beliebten Buckelquadern war wegen des größere Arbeitsaufwandes wesentlich teurer als Bruchsteinmauerwerk oder eine Mauer aus nur roh behauenen Quadern. Eine solche gehobene Ausführung einer Mauer bedurfte teuer zu bezahlender Spezialisten und war wesentlich arbeits- und zeitaufwendiger.

Neben den Materialien war auch die Bauzeit von den vorhandenen Geldmitteln abhängig. Je mehr Menschen eingesetzt werden konnten, desto schneller konnte die Burg errichtet werden. Zeit war beim Burgenbau ein wesentlicher Faktor, der ihn vom Sakralbau unterschied. Ein Kirchenbau war zumeist so angelegt, daß seine Vollendung eine Generation weit überschritt. Ein Adliger, der eine Burg errichtete, wollte diesen Bau selbst und zwar möglichst in wenigen Jahren benutzen. Deshalb waren an Burgenbaustellen mehr Arbeitskräfte konzentriert als an Kirchenbaustellen. Bei normalen Bedingungen wurde eine Burg in 3 - 5 Jahren fertiggestellt.

Wuchsen die Mauern über Brusthöhe, waren Gerüste und Hebevorrichtungen für das Material notwendig. Frei vor den Mauern errichtete Stangengerüste waren im Mittelalter eher selten. Bevorzugt waren Auslegergerüste, die mit dem Bau nach oben erweitert wurden. In Abständen von ca. 1, 5 m mauerten die Bauleute Hölzer ein, die entweder nur auf einer Seite oder aber außen und innen aus der Wand herausragten. Sobald diese Hölzer durch darübergemauerte Schichten belastbar waren, konnten sie mit Dielen belegt werden und dienten als Arbeitsplattform. Nach der Fertigstellung wurden die Hölzer abgesägt oder abgeschlagen. An einigen mittelalterlichen Bauten sind solche Rüstlöcher noch deutlich sichtbar. An geschützten Stellen findet man in ihnen sogar noch die Balkenreste, deren dendrochronologische Bestimmung ein wichtiges Hilfsmittel zu Datierung der Bauten sein kann.

In der Frühzeit mußten Steine und Mörtel in Körben oder auf Holztragen nach oben gebracht werden. Erst mit dem 13. Jahrhundert setzten sich Hebevorrichtungen durch. Als erstes wurde die an einem Balken angebrachte Leitrolle zum Hochziehen verwendet. Das Seil konnte dabei von Hand oder mittels einer Haspel bewegt werden. Der Lastkran mit Kransäule und einem beweglichen Ausleger ist die aufwendigste Hebevorrichtung, vor allem, wenn das Seil mittels eines Laufrades bewegt wird. Mit dieser Einrichtung konnten auch schwere Lasten in große Höhen gebracht werden.
Kleine Quader wurden in Körben hochgezogen, große einzeln am Seil befestigt. In der Frühzeit wurde dazu der sogenannte Wolf benutzt, eine Eisenklaue, die in ein eigens dafür geschlagenes trapezförmiges Loch auf der Oberfläche einsetzt wurde. Beim Anziehen des Seils verkeilte der Wolf sich im Stein, und erst bei der Entlastung ließ er sich wieder lösen. Etwa um 1200 wurde der Wolf von der Steinzange abgelöst, deren Arme- den Quader seitlich festklemmten. Damit sie wirklich sicher greifen konnte, mußten in die Quaderfronten Löcher geschlagen werden. Diese Zangenlöcher kennzeichnen noch heute mittelalterliches Mauerwerk.

Beim Hochziehen eines Turmes wurde die Innenschale geschoßweise abgetreppt, so daß auf den Rücksprüngen die Balken für die Zwischendecken aufgelegt werden konnten. Auch Mauertreppen und Erker wurden gleich mit hochgemauert. Bei aufwendigeren Bauteilen wie dem Bergfried, dem Palas oder bei der Burgkapelle wurden Tür- und Fensteröff nungen mit sorgfältig gehauenen Steinen umgeben oder sogar mit Bauzier versehen. Säulen, Kapitelle, Konsolsteine und Bogenleibungen trugen auf ihrer Oberfläche ornamentalen Schmuck oder sogar bildliche Darstellungen wie Pflanzen oder Tiere. Aufwendige Bauplastik ist zwar an Burgen seltener als an Sakralbauten, kommt bei anspruchsvollen Bauten wie etwa der Wartburg dennoch vor.
Auch das Eindecken ganzer Räume mit steinernen Gewölben war ein anspruchsvoller Ausbau, der sich nur bei sehr aufwendigen Burgenbauten findet. Die größeren Säle wurden mit Holzbalkendecken überspannt, bei entsprechender Raumbreite mit einem Unterzug gestützt. Diese Konstruktionen waren, wie auch die der Dächer und der Wehrgänge, Aufgaben des Zimmermanns. Seine Arbeit begann meistens, wenn die Steinmetze und Maurer ihre Arbeit bereits beendet hatten; oftmals verlief die Arbeit aber auch parallel.

Pultdächer, die sich an die Ringmauer anlehnten, deckten zumeist Wohn- und Wirtschaftgebäude einer Burg. Sie waren vom Feind nicht so leicht in Brand zu setzen und leiteten das Wasser zur Zisterne im Burghof.

Waren der Turm und das Wohngebäude eingedeckt und der hölzerne Wehrgang auf die Ringmauer aufgesetzt, wurden die Mauern eventuell verputzt und bemalt. Selbst glatte Quadermauern waren, wie Farbreste immer wieder belegen, mit einer dünnen farbigen Schlämme versehen. Bei Bruchsteinmauerwerk war Verputz üblich. Dieser konnte auf verschiedene Arten aufgetragen werden: zum einen als steinsichtiger Verputz, sogenannter Rasa pietra, so aufgebracht, daß nur die Kuppen herausschauten; zum anderen als sehr breiter Verputz in Mauerfugen mit senkrechten und waagerechten Fugenstrichen, die dem Mauerwerk ein regelmäßiges Aussehen geben sollten. Schließlich findet sich auch ein vollflächiger Verputz, der die gesamte Oberfläche überzieht und nur die Eckquaderfrei läßt.

Bei der Frage nach der Farbigkeit der Burgen der Frühzeit herrscht noch keine Einigkeit. Doch daß zum Teil sogar sehr starkfarbige Fassungen vorkamen, ist bewiesen. Es scheint auch so gewesen zu sein, daß man Türme und Tore von der Mauer, Erker vom Haus und Zinnen von der Wandfläche farbig absetzte.

Erst nachdem die Wand ihre endgültige Oberfläche erhalten hatte, konnten die Gerüste abgeschlagen und der Innenausbau begonnen werden. Im Gegensatz zu späteren Schlössern muß man sich den Innenausbau einer Burg relativ einfach vorstellen. Dennoch galt es auch hier Kamine aufzumauern bzw. später Kachelöfen einzusetzen, Fensteröffnungen mit Holzläden oder bei anspruchsvollen Bauten mit Pergament oder Glas zu verschließen, Holztreppen zu konstruieren und einzelne Räume durch eine hölzernen Verbretterung wohnlicher zu machen. Aufenthaltsräume, die besonders ausgezeichnet werden sollten, wurden als Bohlenstuben errichtet. Bei ihnen wurden starke Hölzer schon beim Bau eingemauert, und der Raum daraufhin mit einer Holztonne abgeschlossen. Bei normalen Burgen hat man sich aber mit verputzten Wänden und hölzernen bzw. steinernen Fußböden begnügen müssen und war darauf angewiesen, die Räume durch Fell oder gewebte Teppiche wohnlicher zu machen. Bett und Stuhl waren dem Burgherrn vorbehalten, einfache Bänke und Tische, die rasch aufgeschlagen und wieder abgebaut werden konnten, bildeten die wesentliche Einrichtung. Gegenstände wurden auf Wandborde gelegt oder an Haken an der Wand befestigt.

Nur sehr kostbare Dinge wurden in Wandschränken und Truhen aufbewahrt. Mit dem Einbau solcher Ausstattungen einerseits und von Ställen und Zwingern andererseits war der Bau der Burg vollendet und das Bauwerk konnte bewohnt und genutzt werden.

Alexander Antonow, Planung und Bau von Burgen im süddeutschen Raum, Frankfurt 1993; Günther Binding, Baubetrieb im Mittelalter, Darmstadt 1993; Heinrich Boxler und Jörg Müller, Burgenland Schweiz. Bau und Alltag, Solothum 1990; Joachim Zeune, Burgen - Symbole der Macht. Ein neues Bild der mittelalterlichen Burg, Regensburg 1996.

Barbara Schock-Wemer