Karl I., der Große

lateinisch Carolus Magnus, französisch Charlemagne (747-814), König der Franken (768-814) und römischer Kaiser (800-814) aus dem Geschlecht der Karolinger.


Die Anfänge des karolingischen Königtums

Karl wurde am 2.April 747 als Sohn Pippins des Jüngeren und Enkel Karl Martells geboren. 751 hatte Pippin den letzten Merowinger-König entmachtet und sich selbst zum König wählen lassen; 754 hatte ihm Papst StephanII. mit der Salbung auch die kirchliche Legitimation verliehen. Zugleich erhielten auch Karl und sein jüngerer Bruder Karlmann die Königssalbung und den Titel eines Patricius Romanorum („Schutzherr der Römer"). 754 und 756 kam Pippin dem Papst in Italien gegen die Langobarden zu Hilfe. Ergebnis dieser Feldzüge war die Errichtung des Kirchenstaates. In der Folge konzentrierte sich Pippin auf die Eroberung Aquitaniens, das erst unter Karl dem Frankenreich angegliedert werden konnte, und Karl begleitete seinen Vater auf den meisten seiner Feldzüge.
Vor seinem Tod 768 hatte Pippin sein Reich unter seinen beiden Söhnen aufgeteilt: Karlmann erhielt die Mittelmeerküste, Burgund und Alemannien, Karl den Rest des Reiches von den Pyrenäen bis nach Thüringen.


Kriege

Nach Pippins Tod 768 regierten die beiden Brüder zunächst gemeinsam, doch nach und nach drängte Karl seinen Bruder in den Hintergrund, missachtete nach dessen Tod 771 das Nachfolgerecht der Söhne Karlmanns und vereinte Karlmanns Reichsteil wieder mit seinem eigenen. Das Bündnis mit den Langobarden, das Karl 770 durch seine Heirat mit Desiderata, der Tochter des langobardischen Königs Desiderius (Regierungszeit 757-774) aufzubauen suchte, war nicht von langer Dauer: 771 schickte Karl seine Gattin an den langobardischen Hof zurück, an dem auch Karlmanns Erben Zuflucht gefunden hatten. Die Feindseligkeiten zwischen König und Papst auf der einen und den Langobarden auf der anderen Seite brachen erneut aus. 772 bat Papst AdrianI. Karl um Hilfe gegen Desiderius. 773/774 besiegte Karl die Langobarden, eroberte ihre Hauptstadt Pavia und nahm den Titel Rex Langobardorum (König der Langobarden) an. In Rom erneuerte er 774 die Pippinische Schenkung, die jedoch, obwohl 781 dem Papst als eigenständiges Herrschaftsgebiet bestätigt, unter dem Schutz und Einfluss des fränkischen Königs blieb, so dass außer den byzantinischen Gebieten im Süden der Halbinsel ganz Italien unter Karls Herrschaft stand.
Ab 772 führte Karl über drei Jahrzehnte lang Krieg gegen die Sachsen, den letzten noch heidnischen Germanenstamm. 772 fiel er in ihr Gebiet ein und zerstörte ihr bedeutendstes Heiligtum, das Heiligtum der Irminsul. 774 drangen die Sachsen im Gegenzug ins Frankenreich ein. 775/776 unterwarf Karl die Sachsen in zwei Kriegen und begann mit ihrer Christianisierung. 782 jedoch schlugen die Sachsen ein fränkisches Heer, das eigentlich gegen die Slawen ausgeschickt worden war, am Süntelgebirge vernichtend, woraufhin Karl in Verden an der Aller angeblich 4500 sächsische Geiseln hinrichten ließ. In Reaktion auf diese Hinrichtungen erhoben sich die Sachsen unter ihrem Herzog Widukind; 783 wurde der Aufstand niedergeworfen, und 785 ließ sich Widukind taufen. Weitere Erhebungen der Sachsen zwischen 792 und 799 scheiterten ebenfalls an den harten Gegenmaßnahmen der Franken. 804 schlug Karl den letzten sächsischen Aufstand nieder und vollendete die kirchliche und verwaltungstechnische Eingliederung des Herzogtums in das Frankenreich, mit der er bereits nach seinem ersten Erfolg gegen die Sachsen 776 begonnen hatte.
778 unternahm Karl einen Kriegszug gegen das arabische Spanien. Trotz der Niederlage seiner Nachhut unter der Führung seines Neffen Roland bei Roncesvalles brachte er den Norden Spaniens bis zum Ebro unter seine Herrschaft und errichtete hier, zur Sicherung der Grenze gegen die Araber, 795 die Spanische Mark.
788 besiegte Karl Herzog TassiloIII. von Bayern, der vom Frankenreich weitgehend unabhängig geworden war, setzte ihn ab, verbannte ihn in ein Kloster und gliederte dessen Herzogtum wieder in das Frankenreich ein. Zwischen 791 und 796 unterwarf er die Awaren an der Donau und der Theiß und errichtete zur Sicherung der Ostgrenze die Awarische Mark. 805/806 machte er sich die Böhmen tributpflichtig, gliederte sie aber nicht in sein Reich ein, desgleichen wurden auch die Liutizen und die Sorben tributpflichtig, und nach dem Friedensschluss mit den Dänen 811 war auch die Nordgrenze gesichert.


Kaiserkrönung

Als König des Fränkischen Großreiches, der sich um die Ausbreitung des Christentums nach Osten und Norden verdient gemacht hatte, hatte Karl die unangefochtene Vormacht im Abendland inne. Ob er folgerichtig den Titel eines Kaisers bewusst anstrebte, ist in der Forschung umstritten. Am Weihnachtstag des Jahres 800, während des Gottesdienstes, krönte ihn Papst LeoIII. im Petersdom in Rom zum Kaiser, und die Römer bestätigten Karls Kaisertum durch Akklamation. Karls Vertrauter und Biograph Einhard berichtete, der König sei von der Krönung überrascht worden, und wenn er davon gewusst hätte, wäre er an diesem Tag nicht in die Kirche gegangen.
Problematisch war das Verhältnis Karls zum byzantinischen Kaisertum, das sich als Nachfolger des römischen Kaiserreiches verstand und universalen Anspruch geltend machte. Erst 812 erkannte Byzanz gegen Zugeständnisse das Kaisertum Karls des Großen an. 813 krönte Karl selbst, ohne die Mitwirkung des Papstes, seinen einzigen noch lebenden Sohn Ludwig den Frommen in Aachen, dem „neuen Rom", zum Mitkaiser.


Herrschaft und Verwaltung

Ab etwa 794 war Karls bevorzugte Residenz Aachen, das er entsprechend baulich ausgestalten ließ, unter architektonischen Anleihen aus Ravenna und Rom. Karls Hof wurde zum Zentrum der Wissenschaften, wo Gelehrte aus ganz Europa zusammenkamen, darunter der Geschichtsschreiber Einhard und der Angelsachse Alkuin, dem Karl die Palastschule anvertraute und der die kulturelle Erneuerung unter Rückgriffen auf die Antike förderte (Beginn der karolingischen Renaissance).
Oberste Verwaltungsbehörde war die Hofkapelle bzw. Hofkanzlei mit einem obersten oder Erzkaplan an ihrer Spitze, die für die schriftlichen Verwaltungsaufgaben zuständig war. Die Ausführung der Verwaltung des Reiches lag in den Händen von königlichen Amtsträgern, den Grafen. Karl erließ Hunderte von Verordnungen, die so genannten Kapitularien, gesetzliche Bestimmungen zur Verwaltung, Rechtsprechung, zu militärischen, kirchlichen und kulturellen Angelegenheiten. Im Reich wurden diese Kapitularien durch ein effizientes System von Königsboten verbreitet, die gleichzeitig über Vollmachten zu deren Durchsetzung verfügten. Die germanischen Stämme, allen voran die Sachsen, behielten ihre Stammesgesetze weitgehend bei - die Lex Saxonum von 802 war eine Mischung aus sächsischem und fränkischem Recht -, waren aber auch der Kapitulariengesetzgebung unterworfen.
In nahezu allen Bereichen - Politik, Verwaltung, Rechtsprechung, Kultur - griff Karl der Große auf antikes Erbe zurück, verschmolz es mit dem Christentum sowie mit germanischen Traditionen und wirkte durch diese Synthese nachhaltig auf die Entwicklung Europas.
Bei der Regelung seiner Nachfolge hielt sich Karl an die fränkische Praxis der Reichsteilung. 781 ließ er seine Söhne Pippin und Ludwig zu Unterkönigen von Aquitanien bzw. Italien salben. 806 legte er die Reichsteilung testamentarisch fest, die dann jedoch mit dem Tod seiner beiden älteren Söhne Karl und Pippin hinfällig wurde. Karl der Große wurde in der Pfalzkapelle zu Aachen bestattet; 1165 ließ ihn Friedrich Barbarossa heilig sprechen. Im Mittelalter wurde Karl zum idealen christlichen Kaiser stilisiert und, vor allem im französischen Sprachraum, zur Hauptfigur zahlreicher Sagen (Karlssagen) und Epen.